In meinem Beitrag >zum ersten Fotowalk, den ich mit meiner lieben Freundin Caro unternommen habe, habe ich geschrieben, dass ich ein etwas gespaltenes Verhältnis zu Fotowalks habe.
Die Gefahr des wahllosen Knipsens, so habe ich ausgeführt, sei groß und in der Vergangenheit hätte ich dabei vor allem viel Datenmüll produziert.
Zu meiner sehr positiven Überraschung sind während unserer ersten drei Fotowalks, die uns durch >Bremen-Walle, >Blumenthal & Vegesack und die >nächtliche Bremer Innenstadt geführt haben, einige sehr schöne Fotos entstanden.
Für unseren jüngsten Fotowalk hatten wir keinen konkreten Stadtteil im Sinn, sondern wollten uns gleich die komplette Stadt untertan machen.
Ausgestattet mit einem Tagesticket der Öffentlichen Verkehrsmittel war unsere Idee, in die erstbeste Straßenbahn oder den erstbesten Bus zu steigen und mal zu sehen, wohin wir kommen würden. Am ersten Ziel angekommen, wollten wir ein wenig die Umgebung erkunden, um dann erneut in das nächste öffentliche Verkehrsmittel steigen, das vorbeikäme. Sozusagen eine Magical Mystery Tour durch die Stadt.
Ich kann vorwegnehmen: Wohlwollend könnte man diesen Fotowalk, jedenfalls was meine Bildausbeute angeht, als Versuch in serieller Fotografie beschreiben. Denn ich habe vor allem Straßenbahntüren fotografiert. Oder geknipst. Womit ich dann wieder bei meinen grundsätzlichen Vorbehalten Fotowalks gegenüber wären — hätten mich die bisherigen Spaziergänge nicht vom Gegenteil überzeugt.
Unser Ausflug begann am ausgesprochen frühen Morgen um acht Uhr. Wenngleich Caro und ich passionierte Spaziergänger:innen sind, haben wir gleich die nächste Straßenbahnhaltestelle gesucht und, wie wir das geplant hatten, die erste Bahn genommen, die uns in die Innenstadt fahren würde.
In der Bremer Innenstadt gibt es zwei zentrale Umsteigepunkte, von denen aus die Fahrgäste in nahezu alle Ecken der Stadt fahren können, die Haltestellen “Am Brill” und “Domsheide”.
Unsere Entscheidung fiel auf die Domsheide und von dort aus brachte uns die erste Straßenbahn in die Nähe der Universität.
Ich weiß nicht, ob es an der frühen Stunde lag, oder daran, dass es bereits am frühen Morgen relativ warm war und ich Wärme nicht besonders schätze — aber so richtig war ich nicht im Fotomodus.
Vielleicht war es einfach auch nur einer dieser Tage. Ich fand die Gegend, eigentlich ein typisches Mittelklasse-Wohngebiet, nicht wahnsinnig einladend. Ich war nicht so richtig gut darin, Motive zu erkennen und die Motive, die ich fand, haben mir nicht wahnsinnig gut gefallen.
Wir verließen das Wohngebiet und folgten einem kleinen Stichweg, der uns in ein Gartengebiet führte. Auch hier gab es für mich fotografisch nicht viel spannendes zu entdecken, wobei Caro ein paar schöne Bilder gelungen sind. Es lag also offensichtlich mehr an mir, als an der uns umgebenden Gegend.
Als wir uns auf eine Bank setzten, stellte ich fest, dass der Weg, an dem wir saßen, offenbar eine beliebte Jogging-Strecke ist.
Um nicht in Konflikt mit dem Datenschutz zu kommen, ich aber ein wenig Lust hatte, das menschliche Element in meinen Fotos zu haben, wollte ich die Füße und Beine der vorbeikommenden Läufer:innen fotografieren — und obwohl unzählige laufbegeisterte Menschen an uns vorbeiliefen, ist mir nicht ein scharfes Foto geglückt.
Auch die Bewegungsunschärfe war nicht so prickelnd und so gerne ich den Laufbildern gerne etwas positives abgewonnen hätte, konnte ich schlicht nicht — und habe sie alle gelöscht.
Immerhin kamen wir kurz darauf an einem Fahrrad vorbei, dass anscheinend schon längere Zeit nicht mehr benutzt wurde. So richtig längere Zeit. Der Drahtesel war von irgendeinem Grünzeug Überwuchert, ob das jetzt Moos, Grünspan, Flechten oder irgendein anderes floristisches XXX war, vermag ich mangels Wissen und ehrlicherweise auch Interesse nicht zu beurteilen.
Ein Foto also von Patina. Das auf einen der billigsten Kunstgriffe zurückgreift, die es in der Fotografie gibt: einfach den Vordergrund scharf, den Hintergrund unscharf ablichten — zack, ein scheinbar geiles Foto.
Wir sind dann noch ein wenig durch die Kleingartenanlage spaziert und haben uns über diese piekfeinen Gärten amüsiert, die mit dem Lineal ausgemessen und der Nagelschere gepflegt schienen.
Ich freue mich natürlich, wenn Menschen sich in diesen domestizierten Imitationen von Natur wohlfühlen, auf mich versprühen Gärten jener Art aber auch den Charme einer Zeit, in der Vati der Alleinverdiener war, Mutti vor allem für die Kindererziehung und den Haushalt zuständig, am Sonntag gab es Braten und die größte Angst war, dass der Russe plötzlich vor der Tür stehen könne, was aber ja irgendwie auch wieder schrecklich aktuell ist.
Nachdem wir unsere Stippvisite in der Kleingartenanlage abgeschlossen hatten, ging es wieder zur Haltestelle. An der wir dann erst einmal zwanzig Minuten warten mussten.
In Bremen sagt man gerne, dass die Stadt ein Dorf mit Straßenbahn sei, wobei sich der grundsätzliche Wahrheitsgehalt dieser charmanten Selbstzuschreibung an Sonntagen lediglich auf Dorf reduziert.
Auf der Hinfahrt hatte Caro ein Fenster entdeckt, in dem, befestigt an Metallschienen, zahlreiche Stahlmesser aufgereiht hingen und da die Aussicht auf ein Motiv nach der kargen Ausbeute zu Beginn des Tages einen Hoffnungsschimmer darstellte, sind wir in den Stadtteil Schwachhausen gefahren, in dem sich wunderschöne alte Bremer Häuser befinden, die Altbremer Häuser genannt werden, viel Stuck und hohe Decken haben und in denen sich das traditionelle Bürgertum heimisch fühlt.
Aber auch von jenem Fenster ist mir fotografisch nicht so richtig etwas geglückt. Und mir dämmerte schon, dass ich vielleicht einfach nicht in die Stimmung kommen würde, heute ein brauchbares Foto zu machen.
Außer eben einer bei wohlwollender Betrachtung kleinen Serie von Straßenbahntüren.
Nachdem es kurz an der Zeit war, eine kleine Kaffeepause zu machen, sind wir, das war ja unser Tagesthema, wieder zur nächstgelegenen Haltestelle und dann zum Flughafen — dort müsste es ja etwas spannendes zu sehen geben.
Und das gab es auch: den Flughafen. Nun gilt für den Flugverkehr in Bremen, was auch für den Öffentlichen Personnahverkehr gilt. Am Sonntag ist hier halt vor allem Dorf. Nur eben auch mit Lande‑, statt nur Straßenbahn.
Der Bremer Flughafen, der sich scherzhaft Airport nennt, ist nach dem ehemaligen Bürgermeister Hans Koschnick benannt, der im Nachgang zu den Jugoslawien-Kriegen der Neunzehnhunderneunziger Jahre auch zu überregionaler Bekanntheit gelangte, als er als EU-Beauftragter in Mostar eingesetzt wurde.
Die Frequenz in der die Flugzeuge in den Himmel stiegen oder landeten, tendierte gegen Null. Also sie war exakt bei Null, zumindest in der Zeit, in der wir dort waren. Vielleicht ist das aber auch nur ein Potjomkin’scher Airport, wobei ich mir sicher bin, schon ein paar Mal von hier geflogen zu sein.
Von keinen Flugzeugen abgesehen, gab es hier auch wenig zu entdecken. Etwas moderne, aber irgendwie kalte Lagerhallenarchitektur, ein Tümpel und überhaupt war es viel zu warm, als dass mir das Fotografieren dort Spaß gemacht hätte und ich vermute, dass meine Grundstimmung jenes Tages langsam auf diesen Blogbeitrag abfärbt.
Für mich entstand jedenfalls die Erkenntnis, dass das Schönste am Flughafen die Straßenbahn weg von ihm ist und sei es nur, damit ich ein Foto von einer Straßenbahntür machen kann.
Unser nächster Halt sollte am Bahnhof sein und der Bremer Bahnhof ist tatsächlich ein kleines Highlight, ist er doch wunderschön und hat den zweiten Weltkrieg deshalb überstanden, weil auf seinem Dach eine Art große Plane installiert wurde, die den Anschein erweckte, dass hier Felder seien — und niemand wirft zumindest absichtlich Bomben auf Felder.
In starkem Kontrast zum wirklich hübschen historischen Bahnhof steht der Platz davor, der sinnigerweise Bahnhofsvorplatz genannt wird und Heimstatt vor allem zwielichtiger Gestalten ist.
So galt es dann auch, möglichst schnell vom Bahnhof wegzukommen, wobei uns unser Weg direkt zum nächsten Bahnhof führen würde, einem Busbahnhof, der sich allerdings noch im Bau befindet.
Der neue, offenkundig fast fertig gebaute Busbahnhof ist durchaus hübsch und so leer wird man ihn vermutlich schon in Kürze kaum wieder vorfinden.
Da ich aber keinen Busbahnhof kenne, der nicht, wie der Hauptbahnhof, Heimstatt zwielichtiger Gestalten ist, vermute ich, dass das Areal seine ja-doch-irgendwie-Schönheit bald schon verlieren wird.
Der Busbahnhof sollte dann auch unsere letzte Station des Tages sein und wir haben uns auf den Heimweg gemacht. Bei ekelhafter Hitze. Zu Fuß. Durch eine Betonlandschaft, die von stark frequentierten Straßen gesäumt war.
Und obwohl meine Bildausbeute gering war und mir eigentlich kein einziges gutes Foto gelungen ist, gilt meine Maxime, dass im Zweifel der Weg das Ziel ist.
Der Weg war lang, führte uns mehrfach durch die Stadt — und er war unterhaltsam.
Insofern also ohne jeden Zweifel wieder ein Fotowalk, der es absolut wert war. Ich freue mich auf den nächsten. Dann hoffentlich wieder mit brauchbaren Fotos.