Foto­walk III — Die Bre­mer Innen­stadt bei Nacht

Unser dritter gemeinsamer Fotowalk sollte Caro und mich in die nächtliche Bremer Innenstadt führen. Lust hatten wir beide nur mäßig - beste Voraussetzungen waren also gegeben.

Foto­walk III — Die Bre­mer Innen­stadt bei Nacht

Unser dritter gemeinsamer Fotowalk sollte Caro und mich in die nächtliche Bremer Innenstadt führen. Lust hatten wir beide nur mäßig - beste Voraussetzungen waren also gegeben.

Sicher­lich kennst du die­ses Gefühl, das sich manch­mal vor Par­ties ein­schleicht: so rich­tig gro­ße Lust hast du gar nicht und hoffst bei jeder Vibra­ti­on oder jedem Klin­geln dei­nes iPho­ne, dass dir irgend­wer absagt, damit du es selbst nicht tun musst und einen guten Grund hast, zuhau­se zu blei­ben.

Wie sich zum Abschluss mei­nes drit­ten Foto­walks mit Caro, mit der ich übri­gens lie­bend ger­ne foto­gra­fie­ren gehe, her­aus­stel­len soll­te, hat­ten wir bei­de unmit­tel­bar vor dem gemein­sa­men foto­gra­fi­schen Spa­zier­gang die Hoff­nung, dass der jeweils ande­re absa­gen wür­de. Böse drum wären wir bei­de nicht gewe­sen.

Nach­dem Caro und ich uns bereits >Tei­le des Über­see­quar­tiers, sowie der >Stadt­tei­le Vege­sack und Blu­men­thal erschlos­sen hat­ten, woll­ten wir uns bei einem nächt­li­chen Gang der Bre­mer Innen­stadt wid­men. So ist das Rat­haus ein unfass­bar schö­nes Motiv, gera­de wenn es zu spä­ter Stun­de beleuch­tet wird.

Das Bau­werk, des­sen Bau 1405 abge­schlos­sen wur­de, gehört zusam­men mit der davor ste­hen­den Roland-Sta­tue zum Welt­kul­tur­er­be der UNESCO. Klei­ner Fun-Fact am Ran­de.

Nun fand aus­ge­rech­net an jenem Wochen­en­de, da wir unse­ren Walk unter­neh­men woll­ten, das jähr­li­che Stra­ßen­fes­ti­val “La Stra­da” statt, an dem Gaukler:innen, Jongleur:innen und Musiker:innen ihr Kön­nen zum Bes­ten geben und das Publi­kum zum Stau­nen brin­gen.

Zwar stand, im Ver­gleich zu ande­ren Jah­ren, kei­ne Büh­ne auf dem Markt­platz vor dem Rat­haus, aber ein Info-Häus­chen ver­sperr­te die Sicht auf das Gebäu­de, so dass eines unse­rer geplan­ten Moti­ve von vorn­her­ein weg­fal­len soll­te.

Es macht aber unbe­strit­ten auch so rie­sig Spaß, eige­ne Ecken der Innen­stadt, durch die ich sonst eher het­ze als schlen­de­re, lang­sam zu erkun­den und sich neue Moti­ve und unbe­kann­te Ecken zu erschlie­ßen. Ent­schleu­ni­gung wäre so ein pas­sen­des Buz­zword der Post­mo­der­ne.

Nach­dem wir einen kur­zen Abste­cher durch die his­to­ri­sche Bött­cher­stra­ße gemacht und ich mich mit einer Dose Red Bull ver­sorgt hat­te, sind wir in das eben­falls his­to­ri­sche Schnoor-Vier­tel wei­ter­ge­zo­gen.

Der Schnoor, auf Hoch­deutsch “die Schnur”, ist das ältes­te Stadt­vier­tel Bre­mens und durch klei­ne Gas­sen geprägt, die laut New York Post zu den cools­ten Stra­ßen der Welt zäh­len.

Restau­rants und klei­ne Geschäf­te, aber auch das “Hoch­zeits­haus”, ein klei­nes Gebäu­de, das von Braut­paa­ren gemie­tet wer­den kann, machen den char­man­ten Cha­rak­ter des Vier­tels aus.

Tags­über ist der Schnoor zumeist über­lau­fen und weit­ge­hend in der Hand von Tourist:innen. Am Abend lee­ren sich die Gas­sen aber zuse­hends und so blieb uns aus­rei­chend Platz und Zeit, zum Foto­gra­fie­ren.

Mit der nöti­gen Zeit und Ruhe konn­te ich auch Moti­ve ent­de­cken, an denen ich sonst blind vor­bei­ge­lau­fen wäre und bei net­ten Gesprä­chen mit Caro ver­ging die Zeit im Schnoor wie im Flu­ge.

Dem Umstand, dass der Stadt­staat Bre­men das kleins­te Bun­des­land ist, ist auch imma­nent, dass die Wege von der Innen­stadt zu den klei­nen Sehens­wür­dig­kei­ten, die es hier so gibt, recht kurz sind.

Und so führ­te unser Spa­zier­gang aus dem Schnoor­vier­tel wie­der zurück in das Stadt­zen­trum, vor­bei am his­to­ri­schen Gerichts­ge­bäu­de und dann in Rich­tung Markt­platz.

Ich hat­te natür­lich ein Sta­tiv dabei, das ich sogar ein­mal aus­ge­packt und für ein Foto genutzt habe. Ich wer­de die Pein, die mit dem Her­um­schlep­pen eines Sta­tivs ein­her­geht, ver­mut­lich nie völ­lig erfas­sen kön­nen.

Im Grun­de ist es schnell auf­ge­baut, mein Sta­tiv ist zudem rela­tiv leicht und durch­aus kom­for­ta­bel an der Kame­ra­ta­sche zu tra­gen. Aber ich fin­de es so über­aus läs­tig, das Ding auf­zu­stel­len, die Kame­ra zu mon­tie­ren, aus­zu­rich­ten, dann die Kame­ra wie­der abzu­neh­men, das Sta­tiv zusam­men­zu­schie­ben und durch die Gegend zu tra­gen, dass ich das Drei­bein zwar oft mit mir her­um­tra­ge, aber nur aus­ge­spro­chen sel­ten nut­ze.

Und es funk­tio­niert auch so — obwohl weder mei­ne Kame­ra, noch mein Objek­tiv über einen ein­ge­bau­ten Bild­sta­bi­li­sa­tor ver­fü­gen. Das Bild von der McDonald’s‑Filiale ist mit einer recht lan­gen Belich­tungs­zeit von einer drei­ßigs­tel Sekun­de aus der frei­en Hand ent­stan­den.

Und wenn­gleich mei­ne klei­ne, fei­ne aber lang­sam auch betag­te Kame­ra kei­nen sta­bi­li­sier­ten Sen­sor, der die Bewe­gung der Hand aus­gleicht, hat, ver­fügt sie über eine gute Seri­en­bild­funk­ti­on — und so habe ich nach dem Mot­to “spray and pray” ein­fach ordent­lich drauf­ge­hal­ten und so von eigent­lich jedem Motiv auch ein schar­fes Foto bekom­men.

Unser foto­gra­fi­scher Spa­zier­gang hat­te übri­gens den für mich gro­ßen Vor­teil, dass Caro vor ein paar Mona­ten einen Work­shop bei Pavel Kap­lun besucht hat.

Kap­lun ist Foto­graf und Pho­to­shop­per und jeden­falls in der Hobbyfotograf:innenszene wohl­be­kannt. Bei dem Semi­nar, das sie besucht hat­te, ging es um Stadt­fo­to­gra­fie — und die Ver­an­stal­tung wur­de in Bre­men abge­hal­ten, so dass sie mir noch eini­ges an Infor­ma­tio­nen mit­ge­ben konn­te.

Ich bin mir tat­säch­lich nicht ganz sicher, ob ich beim Foto des Doms im Sin­ne der Kaplun’schen Foto­gra­fie alles rich­tig gemacht habe, aber oh boy, ich mag das Foto!

Als wir dann vom Dom zum gegen­über­lie­gen­den Markt­platz gegan­gen sind, konn­ten wir eine klei­ne, ehr­li­cher­wei­se erzwun­ge­ne Pau­se machen.

Mei­ne genia­le Tech­nik, mei­ne Bil­der im Dau­er­feu­er zu erstel­len, ging mit dem Preis ein­her, dass mei­ne Spei­cher­kar­te plötz­lich voll war. Und ich woll­te die vor dem Walk noch for­ma­tiert haben.

Lei­der ist mir kein Weg bekannt, bei mei­ner Kame­ra Bil­der nach Datum zu löschen und so muss­te ich die Fotos, die ich von der Spei­cher­kar­te ver­bannt haben woll­te, ein­zeln aus­wäh­len. Immer­hin hat­te ich im Anschluss wie­der vier­hun­dert Fotos auf der Kar­te frei, unnö­tig war es trotz­dem — und lang­wie­rig, trotz einer durch­aus schnel­len Spei­cher­kar­te.

Immer­hin war das Löschen der Fotos von der Spei­cher­kar­te durch einen Markt­platz-David-Gar­rett von ange­neh­mer Hin­ter­grund­mu­sik hin­ter­legt.

Zu einem guten tou­ris­ti­schen Gang durch Bre­men gehört natür­lich auch ein Abste­cher zur Skulp­tur der Bre­mer Stadt­mu­si­kan­ten. Die von Ger­hard Marcks geschaf­fe­ne Bron­ze­plas­tik steht auf der West­sei­te des Rat­hau­ses und das auch erst seit 1953.

Ich bin übri­gens unzäh­li­ge Male von Besucher:innen ange­spro­chen wor­den, die nach den Stadt­mu­si­kan­ten gesucht haben. Das Abbild ist, ohne den Sockel, auf dem es steht, näm­lich ledig­lich zwei Meter groß und wird ger­ne über­se­hen.

Und trotz der nächt­li­chen Stun­de war es gar nicht so leicht mal einen Moment zu erwi­schen, an dem nicht irgend­je­mand eines der Bei­ne des Esels berührt hat. Das Berüh­ren bei­der Bei­ne gilt als Glücks­brin­ger, aller­dings fas­sen die meis­ten Men­schen nur eines der Bei­ne an. Das gilt in Bre­men als Unsit­te, in die­sem Fal­le, so sagt man in der Han­se­stadt, gibt ein Esel dem ande­ren die Hand.

All­mäh­lich neig­te sich unser drit­ter Foto­walk dem Ende ent­ge­gen. Wir haben uns in Rich­tung des west­li­chen Endes der Innen­stadt auf­ge­macht, um von dort an der Weser in Rich­tung Über­see­stadt zu spa­zie­ren.

Unter­wegs kam ich dann aller­dings an einem Spie­gel, der im Schau­fens­ter eines Kauf­hau­ses stand, nicht vor­bei und muss­te kurz ein Sel­fie machen.

Auf unse­rem wei­te­ren Weg kamen wir an einem Müll­ei­mer vor­bei, der ein eige­nes Fach für Ziga­ret­ten­res­te hat. Jemand hat­te wohl sei­ne glü­hen­de Kip­pe dort her­ein gewor­fen und den gan­zen dar­in lie­gen­den Bums zum Glü­hen gebracht. Abge­se­hen davon, dass es bes­tia­lisch gestun­ken hat, war der aus der klei­nen Öff­nung kom­men­de Qualm ein Motiv, das in mei­ner Vor­stel­lung viel bes­ser aus­sah, als es das tat­säch­lich tat.

Wäh­rend wir wei­ter Rich­tung Über­see­stadt gin­gen, über­kam mich das drin­gen­de Ver­lan­gen nach einer Toi­let­te. Erfreu­li­cher­wei­se arbei­tet Chan­ti, mit der ich den jetzt schon legen­dä­ren >rosa Shoot und die >Por­traits mit Lich­ter­ket­te foto­gra­fiert habe, neben­be­ruf­lich in einer Knei­pe, die auf unse­rem Weg lag.

Fak­tisch ende­te unser Gang dann auch dort, denn wir nutz­ten die Gele­gen­heit, noch ein Getränk zu uns zu neh­men — und da Chan­ti ohne­hin kur­ze Zeit spä­ter in den Fei­er­abend gehen woll­te und sie in unmit­tel­ba­rer Nähe zu Caro und mir wohnt, sind wir gemein­sam nach Hau­se gegan­gen.

Bevor sich unse­re Wege trenn­ten, gestan­den Caro und ich uns, was ich zu Beginn des Bei­trags erwähnt hat­te: dass wir bei­de nur mäßig Lust gehabt hät­ten, den Gang über­haupt in Angriff zu neh­men und ins­ge­heim dar­auf gehofft hat­ten, dass die jeweils ande­re den Walk absa­gen wür­de.

Aber wie auch die Par­ties, auf die man kei­ne Lust zu gehen hat, aber dann eben doch besucht, oft die bes­ten sind, war auch der Foto­walk erneut ein gro­ßes Ver­gnü­gen.

Und ich bin gespannt, wohin uns der vier­te Walk füh­ren wird. Bre­men hat, obwohl lütsch, also klein, eini­ge wun­der­schö­ne Ecken zu ent­de­cken. An Moti­ven wird es uns also auch in Zukunft nicht feh­len.