Falls du meinen zugegeben sehr langen >Beitrag über mich selbst gelesen haben solltest, weißt du, dass meine fotografische Entwicklung bislang sehr langsam war. Da passt es ins Bild, dass ich bereits seit zwei Jahren ein Buch auf meinem Stapel liegen habe, das ich gerne einmal abschließend bearbeiten möchte: Corinna Gissemanns Moody Food Fotografie, das im dpunkt.-Verlag erschienen ist.
Zwar habe ich immer wieder mal ein Kapitel aus dem Buch gelesen und auch bereits die eine oder andere Übung daraus gemacht, so richtig konzentriert durchgearbeitet habe ich es aber noch nie — dennoch konnte ich bereits einiges an Informationen daraus ziehen und so beschloss ich, dass ein Wochenende im April zum Food-Fotografie-Wochenende werden sollte. Einerseits wollte ich ein Spaß-Projekt angehen, also eine eher freie Arbeit und so ganz ursprünglich auch eine weitere Übung aus dem Buch bearbeiten. Letzteres hat zwar nicht geklappt, der Teil mit der freien Arbeit aber immerhin schon.
Als ich mich am Freitag vor dem Beginn des Wochenendes ein wenig in der Innenstadt beschäftigen musste, kamen mir relativ spontan Macarons als mögliches Motiv in den Sinn.
Die kleinen Ei-Zucker-Kalorienbömbchen sind wunderbar bunt und ich hatte sie noch nie zuvor gekauft, gegessen oder fotografiert. Es war folglich mal deutlich an der Zeit, zumal ich aus meinem engen Umfeld den freundlichen Hinweis bekam, dass ich ja mal locker fünf Jahre zu spät sei mit meiner Idee, irgendetwas mit Macarons zu machen.
Jedenfalls begann die Suche nach einem Geschäft in der Bremer Innenstadt, das Macarons anbieten würde, was sich aber als relativ erfolgloses Unterfangen erwies. In keiner Feinkostabteilung und keinem Kaufhaus konnte ich die bunten Dinger kaufen, vielleicht sind Macarons aber auch einfach zu speziell für ein “Dorf mit Straßenbahn”, wie viele Bremer die hübsche Hansestadt an der Weser liebevoll nennen.
Fündig geworden bin ich dann am Ende des Tages in meinem Supermarkt um die Ecke, der die kleinen Leckereien in seinem Tiefkühlsortiment führt. Ich war also nicht in Paris, um Macarons zu kaufen. Die Überschrift ist ein Zitat aus “Gossip Girl”.
Vor dem Fotografieren, das für Samstag geplant war, stand aber das Aufräumen. Bislang lag mein Fotozubehör relativ wild verstreut auf und in verschiedenen Schränken und da ich eine kleine Abstellkammer habe, die ich bislang vor allem als Lager für leere Pizza- und Versandkartons genutzt habe, sollte sie zu meinem Fotozubehör-Raum werden.
Das Schöne am Aufräumen, vor allem, wenn man einem Bereich seiner Wohnung lange Zeit keine Aufmerksamkeit geschenkt hat, sind die vielen Dinge, die man wiederfindet und von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie überhaupt habe.
Als vor einigen Monaten ein Geschäft für Möbel, Wohnaccessoires und Dekorationsartikel eine Filiale in Bremen aufgegeben hat, gab es einen großen Sale mit erheblichen Preisnachlässen — also habe ich zugeschlagen und vor allem einzelne Teller und Schalen, Tischsets und Stoffservietten für den Fall gekauft, dass ich eines Tages doch mal Lust auf Food-Fotografie bekommen würde.
Jetzt, ein paar Monate später, habe ich mich riesig gefreut, damals dem Kaufrausch erlegen zu sein. Außerdem fühlten sich die ganzen Accessoires nach tollen neuen Dingen an, weil ich ja, wie erwähnt, gar nicht mehr wusste, dass ich das Zeug habe. Und ja, ich mag tolle neue Dinge.
Am Samstag ging es dann ans Fotografieren. Einfach nur auf den Teller legen fand ich als Ausgangspunkt schon einmal eher langweilig, weswegen ich die verwegene Idee hatte, das Gebäck zu stapeln.
Erster Lerneffekt: Macarons lassen sich nur schlecht stapeln. Mehr als drei bekam ich nicht aufeinander gestellt und selbst die waren relativ instabil. Da erwies es sich als großes Glück, dass die französischen Süßspeisen eine relativ weiche Oberfläche haben und sich ein Zahnstocher problemlos in den Stapel stecken ließ, ohne dass die Macarons signifikant gebrochen wären.
Mein Hauptlicht für alle Fotos, die du in in diesem Beitrag siehst, waren übrigens die Fenster und die Balkontür meines Wohnzimmers. Als ich die Fotos gemacht habe, war es draußen einigermaßen bewölkt, aber nicht sehr dunkel.
Wirklich zeitraubend war, diese olle Lichterkette so vor die Macarons zu frickeln, dass das Süßspeisentürmchen dabei nicht verdeckt wird. Ich kann gar nicht sagen, warum mir das so viel Freude bereitet hat, aber es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, die Lichterkette um zwei Millimeter nach links und dann wieder einen nach rechts zu bewegen, um anschließend ein Foto zu machen — und wieder neu zu justieren.
Der Samstag, an dem ich die ersten Macaron-Fotos gemacht hatte, neigte sich schneller dem Ende zu, als mir das lieb gewesen wäre. Relativ plötzlich war das Licht weg und ich fühlte mich an meine Kindheit erinnert: ich habe so selbstvergessen fotografiert, dass Zeit und Raum keine Rolle mehr spielten, nur der Moment zählte — und plötzlich eine imaginierte Stimme rief: “Es ist Zeit aufzuhören, es ist bereits dunkel.”
Damit war der Tag fotografisch dann an seinem Ende und es sollte am kommenden Nachmittag weitergehen.
Es gibt ein paar Grundsätze in meinem Leben, an denen ich nahezu sklavisch festhalte. Einer dieser Grundsätze lautet, dass die Menschwerdung erst mit dem Zähneputzen beginnt — ich beginne jeden Tag nicht etwa mit einem Kaffee, sondern mit der Zahnbürste. Das war am nächsten Tag, also am Sonntag, nicht der Fall — und es zeigt, wie viel Freude ich hatte, die Süßigkeiten zu fotografieren.
Auf dem Weg zur ach so bedeutsamen Zahnbürste kam ich an meinem Foto-Setup des Vortages vorbei und beschloss, direkt weiterzumachen. Mensch könnte ich auch später noch werden.
Dieses Gefühl von Kindheit stellte sich dabei direkt wieder ein: einfach nur der Lust folgen und die lästigen Pflichten auf später schieben. So vergingen dann erst einmal weitere zwei Stunden, bevor ich mich endlich ins Bad zwingen konnte.
Eigentlich hatte ich nämlich einen weiteren fotografischen Plan für den Sonntag. In unmittelbarer Nähe zu meiner Wohnung habe ich auf einem Foto-Walk, >den ich kürzlich unternommen habe, ein Falkenpaar entdeckt, das in einem Lüftungsschacht brütet.
So war mein Plan, am frühen Morgen dorthin zu gehen und mein Teleobjektiv, das schon lange ungenutzt in einem Schrank liegt, wieder in den aktiven Dienst zu stellen.
Bereits auf dem Weg zu meinem Ziel zeigte sich, dass mein ungeplanter morgendlicher Fotografierexzess nicht die klügste aller Ideen war: direkt mit dem Einschalten der Kamera meldete sich der Akku und meldete in dramatischem Fehlermedungs-Rot, dass er leer sei.
So bin ich dann etwas missgestimmt nach Hause gelaufen — und habe direkt noch ein paar Fotos von den Macarons gemacht.
Probiert habe ich die Süßspeise dann übrigens auch, nachdem ich sie nun erstmals gekauft und fotografiert hatte. Begeistert war ich nicht. Erfreulicherweise ist das aber keine Voraussetzung — denn sonst müsste ich beim nächsten Mal Kartoffelchips fotografieren. Und das ist jetzt nicht so spannend. Wobei…