5. April 2023

Der Charme der Food-Fotografie besteht darin, dass ich zwei liebgewonnene Aktivitäten miteinander verknüpfen kann: Fotografieren und Essen.

Falls du mei­nen zuge­ge­ben sehr lan­gen >Bei­trag über mich selbst gele­sen haben soll­test, weißt du, dass mei­ne foto­gra­fi­sche Ent­wick­lung bis­lang sehr lang­sam war. Da passt es ins Bild, dass ich bereits seit zwei Jah­ren ein Buch auf mei­nem Sta­pel lie­gen habe, das ich ger­ne ein­mal abschlie­ßend bear­bei­ten möch­te: Corin­na Gis­se­manns Moo­dy Food Foto­gra­fie, das im dpunkt.-Verlag erschie­nen ist.

Zwar habe ich immer wie­der mal ein Kapi­tel aus dem Buch gele­sen und auch bereits die eine oder ande­re Übung dar­aus gemacht, so rich­tig kon­zen­triert durch­ge­ar­bei­tet habe ich es aber noch nie — den­noch konn­te ich bereits eini­ges an Infor­ma­tio­nen dar­aus zie­hen und so beschloss ich, dass ein Wochen­en­de im April zum Food-Foto­gra­fie-Wochen­en­de wer­den soll­te. Einer­seits woll­te ich ein Spaß-Pro­jekt ange­hen, also eine eher freie Arbeit und so ganz ursprüng­lich auch eine wei­te­re Übung aus dem Buch bear­bei­ten. Letz­te­res hat zwar nicht geklappt, der Teil mit der frei­en Arbeit aber immer­hin schon.

Als ich mich am Frei­tag vor dem Beginn des Wochen­en­des ein wenig in der Innen­stadt beschäf­ti­gen muss­te, kamen mir rela­tiv spon­tan Mac­a­rons als mög­li­ches Motiv in den Sinn.

Die klei­nen Ei-Zucker-Kalo­rien­bömb­chen sind wun­der­bar bunt und ich hat­te sie noch nie zuvor gekauft, geges­sen oder foto­gra­fiert. Es war folg­lich mal deut­lich an der Zeit, zumal ich aus mei­nem engen Umfeld den freund­li­chen Hin­weis bekam, dass ich ja mal locker fünf Jah­re zu spät sei mit mei­ner Idee, irgend­et­was mit Mac­a­rons zu machen.

Jeden­falls begann die Suche nach einem Geschäft in der Bre­mer Innen­stadt, das Mac­a­rons anbie­ten wür­de, was sich aber als rela­tiv erfolg­lo­ses Unter­fan­gen erwies. In kei­ner Fein­kost­ab­tei­lung und kei­nem Kauf­haus konn­te ich die bun­ten Din­ger kau­fen, viel­leicht sind Mac­a­rons aber auch ein­fach zu spe­zi­ell für ein “Dorf mit Stra­ßen­bahn”, wie vie­le Bre­mer die hüb­sche Han­se­stadt an der Weser lie­be­voll nen­nen.

Fün­dig gewor­den bin ich dann am Ende des Tages in mei­nem Super­markt um die Ecke, der die klei­nen Lecke­rei­en in sei­nem Tief­kühl­sor­ti­ment führt. Ich war also nicht in Paris, um Mac­a­rons zu kau­fen. Die Über­schrift ist ein Zitat aus “Gos­sip Girl”.

Vor dem Foto­gra­fie­ren, das für Sams­tag geplant war, stand aber das Auf­räu­men. Bis­lang lag mein Foto­zu­be­hör rela­tiv wild ver­streut auf und in ver­schie­de­nen Schrän­ken und da ich eine klei­ne Abstell­kam­mer habe, die ich bis­lang vor allem als Lager für lee­re Piz­za- und Ver­sand­kar­tons genutzt habe, soll­te sie zu mei­nem Foto­zu­be­hör-Raum wer­den.

Das Schö­ne am Auf­räu­men, vor allem, wenn man einem Bereich sei­ner Woh­nung lan­ge Zeit kei­ne Auf­merk­sam­keit geschenkt hat, sind die vie­len Din­ge, die man wie­der­fin­det und von denen ich gar nicht wuss­te, dass ich sie über­haupt habe.

Als vor eini­gen Mona­ten ein Geschäft für Möbel, Wohn­ac­ces­soires und Deko­ra­ti­ons­ar­ti­kel eine Filia­le in Bre­men auf­ge­ge­ben hat, gab es einen gro­ßen Sale mit erheb­li­chen Preis­nach­läs­sen — also habe ich zuge­schla­gen und vor allem ein­zel­ne Tel­ler und Scha­len, Tisch­sets und Stoff­ser­vi­et­ten für den Fall gekauft, dass ich eines Tages doch mal Lust auf Food-Foto­gra­fie bekom­men wür­de.

Jetzt, ein paar Mona­te spä­ter, habe ich mich rie­sig gefreut, damals dem Kauf­rausch erle­gen zu sein. Außer­dem fühl­ten sich die gan­zen Acces­soires nach tol­len neu­en Din­gen an, weil ich ja, wie erwähnt, gar nicht mehr wuss­te, dass ich das Zeug habe. Und ja, ich mag tol­le neue Din­ge.

Am Sams­tag ging es dann ans Foto­gra­fie­ren. Ein­fach nur auf den Tel­ler legen fand ich als Aus­gangs­punkt schon ein­mal eher lang­wei­lig, wes­we­gen ich die ver­we­ge­ne Idee hat­te, das Gebäck zu sta­peln.

Ers­ter Lern­ef­fekt: Mac­a­rons las­sen sich nur schlecht sta­peln. Mehr als drei bekam ich nicht auf­ein­an­der gestellt und selbst die waren rela­tiv insta­bil. Da erwies es sich als gro­ßes Glück, dass die fran­zö­si­schen Süß­spei­sen eine rela­tiv wei­che Ober­flä­che haben und sich ein Zahn­sto­cher pro­blem­los in den Sta­pel ste­cken ließ, ohne dass die Mac­a­rons signi­fi­kant gebro­chen wären.

Mein Haupt­licht für alle Fotos, die du in in die­sem Bei­trag siehst, waren übri­gens die Fens­ter und die Bal­kon­tür mei­nes Wohn­zim­mers. Als ich die Fotos gemacht habe, war es drau­ßen eini­ger­ma­ßen bewölkt, aber nicht sehr dun­kel.

Wirk­lich zeit­rau­bend war, die­se olle Lich­ter­ket­te so vor die Mac­a­rons zu fri­ckeln, dass das Süß­spei­sen­türm­chen dabei nicht ver­deckt wird. Ich kann gar nicht sagen, war­um mir das so viel Freu­de berei­tet hat, aber es hat mir unglaub­lich viel Spaß gemacht, die Lich­ter­ket­te um zwei Mil­li­me­ter nach links und dann wie­der einen nach rechts zu bewe­gen, um anschlie­ßend ein Foto zu machen — und wie­der neu zu jus­tie­ren.

Der Sams­tag, an dem ich die ers­ten Mac­a­ron-Fotos gemacht hat­te, neig­te sich schnel­ler dem Ende zu, als mir das lieb gewe­sen wäre. Rela­tiv plötz­lich war das Licht weg und ich fühl­te mich an mei­ne Kind­heit erin­nert: ich habe so selbst­ver­ges­sen foto­gra­fiert, dass Zeit und Raum kei­ne Rol­le mehr spiel­ten, nur der Moment zähl­te — und plötz­lich eine ima­gi­nier­te Stim­me rief: “Es ist Zeit auf­zu­hö­ren, es ist bereits dun­kel.”

Damit war der Tag foto­gra­fisch dann an sei­nem Ende und es soll­te am kom­men­den Nach­mit­tag wei­ter­ge­hen.

Es gibt ein paar Grund­sät­ze in mei­nem Leben, an denen ich nahe­zu skla­visch fest­hal­te. Einer die­ser Grund­sät­ze lau­tet, dass die Mensch­wer­dung erst mit dem Zäh­ne­put­zen beginnt — ich begin­ne jeden Tag nicht etwa mit einem Kaf­fee, son­dern mit der Zahn­bürs­te. Das war am nächs­ten Tag, also am Sonn­tag, nicht der Fall — und es zeigt, wie viel Freu­de ich hat­te, die Süßig­kei­ten zu foto­gra­fie­ren.

Auf dem Weg zur ach so bedeut­sa­men Zahn­bürs­te kam ich an mei­nem Foto-Set­up des Vor­ta­ges vor­bei und beschloss, direkt wei­ter­zu­ma­chen. Mensch könn­te ich auch spä­ter noch wer­den.

Die­ses Gefühl von Kind­heit stell­te sich dabei direkt wie­der ein: ein­fach nur der Lust fol­gen und die läs­ti­gen Pflich­ten auf spä­ter schie­ben. So ver­gin­gen dann erst ein­mal wei­te­re zwei Stun­den, bevor ich mich end­lich ins Bad zwin­gen konn­te.

Eigent­lich hat­te ich näm­lich einen wei­te­ren foto­gra­fi­schen Plan für den Sonn­tag. In unmit­tel­ba­rer Nähe zu mei­ner Woh­nung habe ich auf einem Foto-Walk, >den ich kürz­lich unter­nom­men habe, ein Fal­ken­paar ent­deckt, das in einem Lüf­tungs­schacht brü­tet.

So war mein Plan, am frü­hen Mor­gen dort­hin zu gehen und mein Tele­ob­jek­tiv, das schon lan­ge unge­nutzt in einem Schrank liegt, wie­der in den akti­ven Dienst zu stel­len.

Bereits auf dem Weg zu mei­nem Ziel zeig­te sich, dass mein unge­plan­ter mor­gend­li­cher Foto­gra­fier­ex­zess nicht die klügs­te aller Ideen war: direkt mit dem Ein­schal­ten der Kame­ra mel­de­te sich der Akku und mel­de­te in dra­ma­ti­schem Feh­ler­me­dungs-Rot, dass er leer sei.

So bin ich dann etwas miss­ge­stimmt nach Hau­se gelau­fen — und habe direkt noch ein paar Fotos von den Mac­a­rons gemacht.

Pro­biert habe ich die Süß­spei­se dann übri­gens auch, nach­dem ich sie nun erst­mals gekauft und foto­gra­fiert hat­te. Begeis­tert war ich nicht. Erfreu­li­cher­wei­se ist das aber kei­ne Vor­aus­set­zung — denn sonst müss­te ich beim nächs­ten Mal Kar­tof­fel­chips foto­gra­fie­ren. Und das ist jetzt nicht so span­nend. Wobei…