Wie ich BTS foto­gra­fiert habe (nicht die K‑Pop-Band)

Wie ich BTS foto­gra­fiert habe (nicht die K‑Pop-Band)

Mit Caro und Chanti war ich als zweiter Fotograf auf einem Shoot und wollte vor allem den fotografischen Prozess der beiden dokumentieren. Ein paar Fotos habe ich dann aber doch machen müssen: es ging gar nicht anders.

Wie ich BTS foto­gra­fiert habe (nicht die K‑Pop-Band)

Mit Caro und Chanti war ich als zweiter Fotograf auf einem Shoot und wollte vor allem den fotografischen Prozess der beiden dokumentieren. Ein paar Fotos habe ich dann aber doch machen müssen: es ging gar nicht anders.

Zuge­ge­ben, hier war jetzt ein paar Wochen Ruhe im Blog. Nen­nen wir es Som­mer­pau­se. Eine aus­ge­dehn­te Som­mer­pau­se. Im Sep­tem­ber. Und Okto­ber. Also eigent­lich eine Spät­som­mer­pau­se.

Aber Pau­se heißt ja nicht zwin­gend, sich aus­schließ­lich dem Müßig­gang hin­zu­ge­ben und nichts zu tun, wenn­gleich ich auch das getan habe. Pau­se heißt, Kräf­te und manch­mal auch ein wenig sich selbst sam­meln, neue Ener­gie gewin­nen und dann mun­ter wei­ter­ma­chen.

Und so habe ich natür­lich sehr ger­ne “ja” gesagt, als ich von der lie­ben Caro gefragt wur­de, ob ich Lust hät­te, sie und mei­ne liebs­te Freun­din Chan­ti zu einem Shoot zu beglei­ten.

Mit Caro habe ich in die­sem Jahr nicht nur eini­ge tol­le >Foto­walks unter­nom­men, son­dern mich auch vor ihre Kame­ra stel­len und >so selbst sehr unmit­tel­bar in den Genuss ihrer Kunst kom­men dür­fen.

Chan­ti ist nicht nur mei­ne bes­te Freun­din, sie auch mein liebs­tes Model auf der Welt. Es wäre mitt­ler­wei­le über­flüs­sig, hier einen ein­zel­nen Bei­trag zu ver­lin­ken — es ist eigent­lich unmög­lich, an ihr vor­bei­zu­kom­men, wenn du dich durch das Blog klickst. Auf der >Pro­jekt­sei­te fin­dest du die grö­ße­ren Shoots, die ich bis­her mit ihr umset­zen durf­te.

Im Gegen­satz zu mei­nen bis­he­ri­gen Shoots mit Chan­ti war ich bei die­ser foto­gra­fi­schen Exkur­si­on aber vor allem assis­tie­rend unter­wegs. Caro hat­te sehr schö­ne Bild­ideen ent­wi­ckelt und dann ein­fach auf den Zug auf­zu­sprin­gen und jeden­falls sehr ähn­li­che Fotos zu machen, fand ich unbe­frie­di­gend.

Außer­dem hat­te Chan­ti mir im Vor­feld signa­li­siert, dass sie es eher anstren­gend fän­de, sich wäh­rend eines Shoots auf ver­schie­de­ne Foto­gra­fen ein­zu­las­sen und so ent­schloss ich mich, vor allem ein paar behind the sce­nes-Fotos, kurz bts, zu machen.

Ich konn­te Chan­ti aller­dings die Zustim­mung ent­lo­cken, ganz viel­leicht auch mal ein oder zwei oder sogar drei “eige­ne” Fotos machen zu dür­fen, soll­te sich die Gele­gen­heit für ein gutes Motiv erge­ben. Und natür­lich kam es dazu.

Aber begin­nen wir ganz am Anfang. An einem frü­hen Sonn­tag­mor­gen haben wir uns getrof­fen, um in die Bre­mer Innen­stadt zu fah­ren. Caros Bild­idee war, Chan­ti in einem opu­len­ten roten Kleid auf dem lee­ren Markt­platz zu foto­gra­fie­ren und der Bre­mer Markt­platz ist, soll­test du ihn nicht ken­nen, wun­der­schön.

Er ist ein­ge­rahmt vom Rat­haus, das zum Unesco-Welt­kul­tur­er­be gehört, vie­len eben­falls his­to­ri­schen Gebäu­den und, nun gut, dem sel­ten häss­li­chen Par­la­ments­ge­bäu­de des Bre­mer Senats.

Direkt an den Markt­platz angren­zend fin­det sich in öst­li­che Rich­tung der Bre­mer Dom, ent­spre­chend geht die Son­ne hin­ter dem Got­tes­haus auf.

Und Caro konn­te direkt ein ful­mi­nan­tes Bild ablich­ten. Chan­ti in ihrem roten Kleid mit der unend­lich lan­gen Schlep­pe und der Son­ne im Gegen­licht. Und ja, die Son­ne war tat­säch­lich so da, die kommt nicht aus Pho­to­shop. Wobei Caro das auch locker in der Bild­be­ar­bei­tungs­soft­ware hin­be­kom­men hät­te. Pho­to­shop bedient sie im Gegen­satz zu mir näm­lich blind und macht unfass­ba­re Com­po­sings und Bear­bei­tun­gen. Du fin­dest deut­lich mehr von ihrer Foto­kunst auf ihrer >Insta­gram-Sei­te und es freut mich regel­mä­ßig, ihre neu­en Bei­trä­ge bewun­dern zu dür­fen.

Hilf­reich ist dabei übri­gens, dass sie nicht wahl­los blo­ckiert und so in einen akti­ven Aus­tausch mit ande­ren Fotograf:innen gehen kann. Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht, aber ges­tern bist du noch jeman­dem gefolgt und heu­te bist du völ­lig ran­dom blo­ckiert. Da guckt man dann ja auch wie ein Auto. Aber ich schwei­fe ab.

Das fer­ti­ge Bild von Caro...
…und das Making-Of.

Da es, wie oben erwähnt, diver­se wun­der­schö­ne Gebäu­de am Bre­mer Markt­platz gibt, haben wir uns dort auch eine gan­ze Wei­le auf­ge­hal­ten und so konn­te Caro noch eini­ge wei­te­re Fotos machen — und ich natür­lich den Pro­zess doku­men­tie­ren.

Da Caro, Chan­ti und ich auch abseits der Foto­gra­fie freund­schaft­lich durch­aus ver­bun­den sind, gilt auch bei unse­ren gemein­sa­men Shoots, dass vor allem der Spaß und eine schö­ne gemein­sa­me Zeit im Vor­der­grund ste­hen.

Ich habe schon mehr­fach erwähnt, dass es mir ein gutes Foto nichts bedeu­ten wür­de, wenn der Shoot dahin­ter nicht Spaß gemacht hät­te. Und so haben wir es auch an die­sem Vor­mit­tag gehal­ten.

Bevor es dann wei­ter Rich­tung Dom ging, war zunächst ein­mal eine klei­ne Pau­se ange­sagt — modeln ist ohne jeden Zwei­fel anstren­gend und eine kur­ze Ziga­ret­ten­aus­zeit hat­te sich Chan­ti red­lich ver­dient.

Der Schlei­er, den Caro an das Kleid ange­näht hat­te, war aber so lang, dass er die gan­ze Zeit dem Boden schleif­te. Das soll­te er ja nun auch, wenn­gleich das zur Fol­ge hat­te, dass sich eine Men­ge auf der Stra­ße lie­gen­der Unrat dar­in sam­mel­te.

Um das zu ver­hin­dern hat sich Chan­ti den Schlei­er dann ein­fach über den Kopf gewor­fen. Und so bot sich direkt die ers­te Gele­gen­heit, dass auch ich ein ers­tes “eige­nes” Foto von ihr machen durf­te. Tat­säch­lich gehört das Por­trait zu mei­nen abso­lu­ten Lieb­lings­bil­dern von ihr. Auch wenn es hieß, dass sie wäh­rend ihrer eigent­li­chen Pau­se doch wie­der ein wenig posie­ren muss­te.

Ich bin, neben dem groß­ar­ti­gen Moment, auch des­halb glück­lich über das Foto, weil ich bei der Bear­bei­tung end­lich kapiert habe, wie ich in Pho­to­shop Qualm, der aus einem ande­ren Foto kommt, so in das Bild mon­tie­ren kann, dass es tat­säch­lich sehr echt aus­sieht.

Ich habe mich in der Tech­nik auch bereits bei ein­zel­nen Fotos von unse­rem >rosa Shoot ver­sucht, mitt­ler­wei­le aber noch ein wenig bes­ser ver­stan­den, wie ich das noch effek­ti­ver machen kann.

Und da wei­ter­hin kein gro­ßer Fan von Pho­to­shop bin, ist das so ein klei­nes und eigent­lich völ­lig unschein­ba­res Detail, das mich am Ende mit ein wenig Stolz zurück­lässt.

Vom Markt­platz sind wir dann zu den Dom­trep­pen. Inzwi­schen war es schon ein wenig spä­ter und die ers­ten Spa­zier­gän­ger in der Stadt unter­wegs.

So auch ein älte­rer Herr, den man auch als alten wei­ßen Mann bezeich­nen kann. Als er sah, dass Chan­ti ein­deu­tig als Model erkenn­bar auf der Trep­pe posier­te, flan­kiert von Caro und mir als Foto­gra­fen, zück­te er sein Smart­phone und war dann im Begriff, eben­falls zu foto­gra­fie­ren.

Ich habe mich dann vor sein Smart­phone gestellt und ihn freund­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es zumin­dest ein wenig unver­schämt sei, unge­fragt eige­ne Fotos von einer Per­son zu machen, die er nicht ken­ne.

Er mach­te dann den Anschein, sein Tele­fon wie­der ein­zu­ste­cken, als ich aber ging, hob er das Tele­fon wie­der an und war wie­der im Begriff, zu foto­gra­fie­ren.

Ich bin dann also erneut zu ihm und habe ihn, die­ses Mal etwas weni­ger freund­lich, dafür aber umso bestimm­ter, erneut dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sein Ver­hal­ten gera­de ziem­lich über­grif­fig sei.

Als ich dann wie­der weg­ging, hat glau­be ich jeden­falls, doch noch sei­ne Fotos gemacht.

Ich unter­stel­le dem Men­schen nicht ein­mal, dass er das aus Bos­haf­tig­keit gemacht hat­te. Ver­mut­lich dach­te er, da sei irgend­ei­ne auf­re­gen­de Pro­duk­ti­on am Lau­fen und woll­te nur ein Erin­ne­rungs­fo­to haben, um die sei­nen Enkeln oder dem Kegel­club zei­gen zu dür­fen.

Und so ist es auch von mir kei­ne Bos­haf­tig­keit, den Herrn nicht aus dem ers­ten der bei­den fol­gen­den Bil­der retu­schiert zu haben. Ich woll­te natür­lich auch nur ein Erin­ne­rungs­fo­to haben und das Foto mei­nen Eltern oder mei­nem Fort­ni­te-Clan zei­gen. Er kann ja schlecht etwas dage­gen haben. Und nein, ich spie­le nicht Fort­ni­te.

Im Anschluss an die Foto­gra­fie auf den Dom­trep­pen zog es uns ins Schnoor-Vier­tel. Das ist der ältes­te Stadt­teil Bre­mens und er liegt direkt neben der Innen­stadt.

“Schnoor” bedeu­tet Schnur. Die über­wie­gend aus dem Mit­tel­al­ter stam­men­den Gebäu­de sind dabei so dicht anein­an­der gebaut, dass die schma­len Gas­sen dazwi­schen eben einer Schnur glei­chen.

Auf dem Weg dort­hin kamen wir an einem Kiosk vor­bei und da sowohl Chan­tis, als auch mei­ne Nacht aus­ge­spro­chen kurz waren, war das eine gute Gele­gen­heit, uns mit jeweils mit einer Dose Red Bull zu ver­sor­gen.

Chan­ti war­te­te auf einer Stuhl vor dem Kiosk und als ich sie dort mit ihrer Geträn­ke­do­se sah, in ihrem roten Kleid, vor einem eher schä­bi­gen Kiosk, war mein zwei­tes Foto des Tages sicher. Auch die­ses Bild fällt in die Kate­go­rie “Lieb­lings­bild”. Zum Abschluss des Tages wür­den übri­gens noch ein wei­te­re Lieb­lings­fo­tos fol­gen. Auch wenn ich Gefahr lau­fe, “Lieb­lings­fo­tos” etwas zu infla­tio­när zu benut­zen.

Im Schnoor ange­kom­men muss­ten wir fest­stel­len, dass mit der vor­an­schrei­ten­den Uhr­zeit des Mor­gens auch die Fre­quenz der Fußgänger:innen im Quar­tier merk­lich zunahm. Das soll­te Caro aber völ­lig zu Recht nicht davon abhal­ten, zu foto­gra­fie­ren — und mich nicht, mei­ne Making-Of-Bil­der zu erstel­len.

Zuneh­mend begann jedoch auch die Son­ne in ihrer herr­lichs­ten Hel­lig­keit zu schei­nen und es ist lei­der immer ein wenig schwer, im glei­ßen­den Son­nen­licht zu foto­gra­fie­ren. Die Schat­ten sind sehr hart, die Kon­tras­te aus­ge­spro­chen aus­ge­prägt und gera­de hel­le Haut hat die Nei­gung, ein wenig ins papier­wei­ße zu gehen.

Hil­fe leis­tet hier immer Schat­ten. Schat­ten zu fin­den war im Schnoor aber gar nicht so leicht. Abhil­fe kön­nen im Zwei­fel aber auch ein­fa­che Ein­gän­ge leis­ten und so konn­te ich ein wei­te­res Foto von Chan­ti erstel­len — das ich dann wie­der ein wenig in Pho­to­shop bear­bei­tet habe. Das erkennst du vor allem am rech­ten unte­ren Rand des Fotos, in dem ich das Kleid ein wenig ver­län­gert habe.

Eine Tech­nik, die ich übri­gens von Caro gelernt habe. Ich sag­te ja, dass sie eine Pho­to­shop-Kory­phäe ist und zu mei­nem gro­ßen Glück lässt sie mich ger­ne ab ihren Fer­tig­kei­ten par­ti­zi­pie­ren.

Über­haupt sind Caro und Chan­ti die ent­schei­den­den Trei­ber in mei­ner foto­gra­fi­schen Ent­wick­lung in die­sem Jahr. Und mit “in die­sem Jahr” mei­ne ich eigent­lich in den letz­ten zehn Jah­ren.

Mei­ne foto­gra­fi­sche Selbst­ver­wirk­li­chung ver­lief eher schlep­pend, ich las­se mich dazu in mei­nem Bei­trag >The Inner Mac­chi­na­ti­ons Of My Mind Are An Enig­ma aus­führ­lich aus.

Caro und ich gehen regel­mä­ßig in einen sehr beflü­geln­den foto­gra­fi­schen Aus­tausch, sie ist mir eine wich­ti­ge krea­ti­ve Stüt­ze und mei­ne liebs­te Gesprächs­part­ne­rin, wenn um die Foto­gra­fie geht.

Zudem hat sie mir gehö­rig die Angst vor mei­nem per­sön­li­chen foto­gra­fi­schen End­geg­ner Pho­to­shop genom­men. Und auch, wenn ich die Soft­ware wei­ter­hin nur mini­mal-rudi­men­tär ver­ste­he und nut­ze, haben sich ihre vie­len klei­nen und gro­ßen Tipps dabei als ech­ter Game­ch­an­ger erwie­sen.

Dass Chan­ti sich immer wie­der uner­müd­lich bereit­erklärt, sich vor mei­ne Kame­ra zu stel­len, hat mir den Ein­stieg in die prak­ti­sche Por­trait­fo­to­gra­fie abseits von You­Tube-Tuto­ri­als und Work­shops über­haupt erst ermög­licht. Dar­über hin­aus hat sie immer wie­der gran­dio­se Ideen, auf die ich selbst nie gekom­men wäre und sorgt für so unfass­bar viel Spaß bei unse­ren Shoots, dass ich mich auf jede foto­gra­fi­sche Ses­si­on freue, wie ein Kind auf Weih­nach­ten.

Und so habe ich mit den bei­den in den letz­ten zwölf Mona­ten nicht nur zwei wun­der­vol­le Freun­din­nen gewon­nen, son­dern auch zwei foto­gra­fi­sche part­ner in crime. Ich kann mei­ne Dank­bar­keit dar­über kaum in Wor­te fas­sen und belas­se es an die­ser Stel­le ein­fach bei einem ganz herz­li­chen Dan­ke­schön. Ihr seid die Bes­ten.

Aber Moment! Wir waren ja eigent­lich im Schnoor und haben foto­gra­fiert. Vor dem Haus­ein­gang. Und zu jenem Moment keh­re ich an die­ser Stel­le noch ein­mal kurz zurück, weil sich hier wie­der ein­mal die beson­de­re Che­mie, die zwi­schen Chan­ti und mir zu bestehen scheint, gezeigt hat.

Als ich ansetz­te, mei­ne Fotos zu machen, kam eine klei­ne prä-ger­ia­tri­sche Grup­pe des Weges. Die Rädels­füh­re­rin der geron­to­lo­gi­schen Tourist:innen sag­te, sie wür­de eben noch schnell vor­bei­hu­schen und ich weiß nicht, ob du das >Faul­tier aus dem Dis­ney-Film “Zoo­to­pia” kennst, aber die Dyna­mik war ver­gleich­bar.

Als das Grüpp­chen dann eine gefühl­te Stun­de spä­ter vor­bei­ge­lau­fen war, tra­fen sich Chan­tis und mein leicht generv­ter Blick und als wären wir seit Jah­ren ein­ge­spiel­te Syn­chron­hu­mo­ris­ten form­ten wir zeit­gleich mit unse­ren Fin­gern Anfüh­rungs­zei­chen in der Luft und sag­ten etwas despek­tier­lich wie aus einem Mun­de: “Schnell”, wäh­rend wir uns gegen­sei­tig affir­ma­tiv zunick­ten.

Etwas beseelt von den Fotos, die ich bis­lang gemacht hat­te und die mir so sehr gefie­len, ver­lor ich aller­dings etwas den Fokus, was das Erstel­len der Making-Of-Bil­der anging und kam eher in einen “ich-suche-nach-möglichen-Motiven”-Tunnel.

Bei allen Shoots, die ich bis­her mit Chan­ti hat­te, hat sich die­ser inter­es­san­te Zustand eines foto­gra­fi­schen Flows frü­her oder spä­ter ein­ge­stellt. Mit der Kame­ra in der Hand und mei­nem tol­len Model im Hin­ter­kopf neh­me ich die Welt anders wahr, als wür­de ich nur so durch die Gegend spa­zie­ren.

Und so fiel mir direkt das geöff­ne­te Fens­ter eines Restau­rants auf, das selbst noch gar nicht geöff­net hat­te. In einem klei­nen Vor­gar­ten waren ein paar Blu­men in Töp­fe gepflanzt, die schö­nen Holz­fens­ter mit den Quer­stre­ben, die mit einem röt­li­chen Mus­ter ver­zier­ten Vor­hän­ge und direkt dahin­ter ein Tisch, der einen schö­nen Blick auf den Schnoor und das Trei­ben dort ermög­licht, ver­voll­stän­dig­ten das Arran­ge­ment.

Ich bin grund­sätz­lich sehr zurück­hal­tend und fast patho­lo­gisch schüch­tern, aber mit mei­ner Kame­ra in der Hand und einem Motiv vor Augen ver­schwin­den nahe­zu alle Scham­gren­zen und so bin ich kur­zer­hand in das eigent­lich noch geschlos­se­ne Restau­rant.

An einem Tre­sen saß ein Mann, der einen Kaf­fee trank und mich irri­tiert mus­ter­te. “We’­re clo­sed” sag­te er, für mich völ­lig über­ra­schend auf eng­lisch. Ent­we­der hat es sich eta­bliert, die inter­na­tio­na­le Kli­en­tel gleich direkt auf eng­lisch zu begrü­ßen, oder er sprach tat­säch­lich kein deutsch. Ich erklär­te ihm dann eben­falls auf eng­lisch, dass ich ger­ne ein Foto von einem bezau­bern­den Model an sei­nem Tisch am Fens­ter machen wür­de und er wil­lig­te direkt ein.

Chan­ti und Caro waren inzwi­schen wei­ter­ge­zo­gen und so war­te­te ich gedul­dig, aber durch­aus auf­ge­regt, um Chan­ti von mei­nem Vor­ha­ben zu berich­ten. Sie setz­te sich dann bereit­wil­lig an den Tisch und ich habe ihr mei­ne Anwei­sun­gen gege­ben. Her­aus­ge­kom­men ist nicht nur ein wei­te­res Lieb­lings­bild, son­dern auch ein kurio­ser Moment.

Denn wäh­rend der weni­gen Minu­ten, die wir dort foto­gra­fiert haben, bil­de­te sich hin­ter mir eine förm­li­che Men­schen­trau­be. Neu­gie­rig beob­ach­te­ten die Passant:innen das Trei­ben und mut­maß­ten, wel­che Pro­mi­nen­te dort gera­de foto­gra­fiert wür­de. Ver­ein­zelt muss­te ich die Men­schen bit­ten, Platz zu machen, damit ich über­haupt noch foto­gra­fie­ren konn­te.

Ich wür­de glatt unter­stel­len, dass die Leu­te zu dem alten wei­ßen Mann gehör­ten, den wir kurz davor an den Dom­trep­pen getrof­fen hat­ten.

Chan­ti nutz­te das kur­ze Inter­mez­zo in dem geschlos­se­nen Restau­rant, um sich auf der Toi­let­te umzu­zie­hen und in ein ande­res rotes Kleid zu schlüp­fen, denn natür­lich hat­te Caro nicht nur ein Kleid vor­be­rei­tet.

Nach dem Umzie­hen sind wir dann wie­der Rich­tung Markt­platz gegan­gen und weil ich weiß, dass nur eine sat­te Chan­ti eine glück­li­che Chan­ti sein kann, habe ich bei einer bekann­ten Fast-Food-Ket­te erst ein­mal einen klei­nen Snack für sie besorgt.

Was sich jetzt fast schon selbst­los anhört, muss­te aber auch für ein wei­te­res Foto genutzt wer­den. Denn direkt gegen­über der Filia­le des Bur­ger-Restau­rants steht eine fest instal­lier­te Sitz­grup­pe.

Und die Vor­stel­lung von Chan­ti in ihrem roten Kleid mit einem Bur­ger und einer Cola in der Hand, wie sie irgend­wie ran­dom in der schein­bar ver­wais­ten Innen­stadt sitzt, war wie­der so eine skur­ri­le Bild­idee, dass die umge­setzt wer­den muss­te.

Zu die­sem Zeit­punkt wuss­te ich übri­gens noch nicht, dass sich das ver­rück­tes­te Bild des Tages, viel­leicht sogar das ver­rück­tes­te und sur­re­als­te Bild, das ich bis­lang gemacht habe, nur kur­ze Zeit spä­ter erge­ben wür­de.

Als wir dann wie­der in die “gute Stu­be Bre­mens”, wie der Markt­platz von den Ein­hei­mi­schen genannt wird, kamen, ent­deck­te ich einen Men­schen in einem Donald Duck-Kos­tüm, der gegen eine klei­ne Spen­de Luft­bal­lons in drol­li­ge Figu­ren form­te und ver­kauf­te.

Wäh­rend Caro also Chan­ti ablich­te­te, in einem roten Kleid vor einem rie­si­gen gro­ßen Son­nen­schirm, bin ich zum Enten­dar­stel­ler, habe ihm ein paar Euro in sei­ne Sam­mel­do­se gewor­fen und gefragt, ob er bereit sei, sich für ein Foto bereit­zu­stel­len.

Mei­ne Idee war, dass er eigent­lich auf den Knien vor Chan­ti sit­zen soll­te und ihr einen Luft­bal­lon anreicht. Sie soll­te arro­gant as fuck von ihm weg­se­hen und zei­gen, dass sie auf Avan­cen von Enten in blau­en Jacken mal so gar kei­ne Lust hat.

Ich weiß nicht, ob es eine Sprach­bar­rie­re gab, der Dar­stel­ler ein­fach nicht woll­te oder in dem Kos­tüm nicht konn­te, aber mei­nem Wunsch, sich vor sie knien, ent­sprach er nicht — ansons­ten war er aber sofort bereit, an der Bild­idee mit­zu­wir­ken und ent­stan­den ist ein Foto, dass es irgend­wann noch mal an eine mei­ner Wän­de schaf­fen wird.

Ich bin ihm so unglaub­lich dank­bar, dass er den Spaß mit­ge­macht hat und Chan­ti, dass sie es geschafft hat, die gan­ze Zeit so ernst zu gucken. Ich mei­ne, da stand eine lebens­gro­ße Ente neben ihr und hielt einen rosa Luft­bal­lon in ihre Rich­tung.

Ich habe ihm zum Dank dann noch mal ein paar Euro in sei­ne Sam­mel­scha­le gewor­fen und konn­te dann auch noch den rosa­far­be­nen Luft­bal­lon für Chan­ti mit­neh­men, den er ihr vor­her ent­ge­gen­ge­hal­ten hat­te.

Das hat sich letzt­lich natür­lich auch irgend­wie als blö­de Idee erwie­sen, denn fort­an hat sie damit auf dem Weg zurück zum Auto auf mich ein­ge­schla­gen. Ich hät­te es eigent­lich ahnen kön­nen. Aber manch­mal bin ich zu naiv, um die Fol­gen mei­nes Han­delns völ­lig abzu­wä­gen.

Zum Abschluss unse­res gemein­sa­men foto­gra­fi­schen Vor­mit­tags sind wir dann noch zu dritt zu mir gefah­ren und haben die Bil­der des Tages gesich­tet, eine Cola getrun­ken und uns noch ein paar Stun­den sehr nett unter­hal­ten.

Den Nach­mit­tag habe ich aller­dings im Bett ver­bracht. Die Nacht davor war schließ­lich kurz, die Wir­kung des Red Bull vom Vor­mit­tag hat­te längst nach­ge­las­sen und am Ende sind Sonn­tag­nach­mit­ta­ge ja auch genau dafür da. Vor allem, wenn man am Vor­mit­tag schon so aktiv gewe­sen ist, wie wir drei das waren.