Vor etwas über einem Jahr habe ich mit zwei mir bis dahin weitgehend unbekannten Menschen eine kleine Fotogruppe gegründet.
Die Idee dahinter war, sich regelmäßig, aber zwanglos unter Gleichgesinnten zu treffen und, wenn es passt, generisch zu wachsen — und wenngleich ich inzwischen ohne größeres Bedauern wieder aus der Gruppe ausgetreten bin, waren es ein paar schöne erste Monate, die ich dort verbringen durfte.
Schon kurze Zeit nach Gründung jener Gruppe bekundete Daniel, mit dem ich kürzlich im Künstlerdorf Worpswede das Raw Fotofestival >besucht habe, Interesse die Fotogruppe kennenzulernen.
Die Chemie passte sofort und so wurde er noch am Tag des Kennenlernens das erste Neumitglied der kleinen fotografischen Zusammenkunft.
Daniel ist so einer dieser Menschen, die man einfach gernhaben muss. Er hat nicht nur einen großartigen Humor und ist irre emphatisch, er fotografiert auch sensationell gut und hat ein ähnliches Interesse wie ich, sein handwerkliches Können und seine künstlerischen Ambitionen in der Fotografie zu entwickeln.
Mit seinem >bremen.faces-Projekt hat er zudem ein sensationelles Instagram-Projekt gestartet, im Rahmen dessen er ihm unbekannte und sehr interessante Menschen auf der Straße anspricht und um ein Portrait bittet. Ich kann dir nur empfehlen, einmal bei Instagram reinzuschauen, es lohnt sich absolut und ich freue mich sehr, dass ich ihn inzwischen zu meinen Freunden zählen darf.
Es ist inzwischen schon ein paar Tage her, dass ich von Daniel eine Nachricht erhielt und er mich fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm einen kleinen Ausflug zum Molenturm zu unternehmen.
Der Molenturm ist ein Leuchtturm, der am westlichen Ende der Bremer Überseestadt liegt, die einst Hafengebiet war und jetzt zu einem etwas schmucklosen Schicki-Beton-Wohngebiet mit vielen Bürogebäuden umgestaltet wurde.
Daniel ist von Beruf Fluglotse und hat so Zugriff auf fundierte Informationen über das bevorstehende Wetter einschließlich der zu erwartenden Wolkenbildung.
Da ich mich Cumulus, Nimbostratus und Cirrus so gar nicht auskenne und eher von Schäfchen oder Blumenkohl spreche, wenn es um die kuschelig anmutenden Wassertropfenformationen geht, unterlasse ich den ohnehin zum Scheitern verurteilten Versuch, mich hier als Wolkenexperte zu geben und habe mich einfach gefreut dass wir die Chance haben würden, einen geilen Sonnenuntergang fotografieren zu können.
Nun lebt ein gutes Sonnenuntergangsfoto nicht nur davon, dass die Sonne als warmer Ball hinter dem Horizont untergeht, sondern vor allem von der Gestalt der Wolken am Himmel, denn die geben so einem Foto Struktur und Dimension.
Ich möchte gleich vorab sagen, dass mir an jenem Abend eigentlich gar kein gutes Foto vom Sonnenuntergang geglückt ist — wofür es unterschiedliche Gründe gibt.
Zum einen waren das Zusammenspiel von Wolken und Sonne nicht so sensationell, wie wir es erwartet hatten. Zum anderen war es unfassbar kalt und windig.
Und ich meine so richtig kalt und windig. Tagsüber hatten wir durchaus angenehme, T‑Shirt-taugliche Temperaturen hatten. Und so habe ich mir für den Ausflug in spätjugendlichem Übermut lediglich eine stylische Jogginghose und ein mindestens ebenso stylisches Retro-Hockey-Jersey angezogen.
Und ich habe so gezittert, dass ich die Kamera nicht ruhig halten konnte.
Natürlich war ich gut vorbereitet und habe ein Stativ eingepackt, das zwar eine gute Stabilität hat, aber auch relativ leicht ist — und so war es mir kaum möglich, ein Foto zu machen, das nicht verwackelt war.
Und so stand ich den Großteil der Zeit, die wir am Molenturm verbrachten, etwas zusammengekauert in einer Nische des Turms, in der mich der Wind jedenfalls nicht mit brachialer Gewalt traf und ich die Wahrscheinlichkeit, an Hypothermie zu sterben, zumindest geringfügig reduzieren konnte.
Am Molenturm selbst ist mir dann auch eigentlich gar kein brauchbares Foto geglückt. Das ist auch nicht weiter schlimm, da es letztlich nur ein Ziel gab, nämlich Sonnenuntergang und Molenturm irgendwie zu verknüpfen und die äußeren Umstände nicht so richtig passten.
So wie der Regenschirm, den man vorsichtshalber mitnimmt, in der Regel ein Garant dafür ist, dass es nicht regnet, ist es jedoch auch immer eine gute Idee, die Kamera etwas resigniert zurück in die Tasche zu legen und gedanklich für den Rest des Tages mit der Fotografie abzuschließen. Dann nämlich kommen in der Regel die guten Motive ums Eck.
So wie die beiden Fischer auf dem Bild oben. Die beiden holten gerade ihre Reusen ein und wurden in ihren orangenen Arbeitsanzügen von der kleinen Lampe auf ihrem Schiffchen so ausreichend beleuchtet, dass mir an jenem Abend tatsächlich eines meiner absoluten Lieblingsmotive geglückt ist, die ich jemals gemacht habe.
Abgesehen davon, dass mir der Ausflug mit Daniel als solcher riesig Spaß gemacht hat, war der Abend damit auch fotografisch ein echter Erfolg. Denn das Foto hat echtes Potenzial, dass ich es mir an die Wand hänge — und mehr kann ein Foto ja kaum werden.
Da die Temperaturen auch am Abend inzwischen weitaus erträglicher sind, hoffe ich nunmehr auf eine weitere Nachricht von Daniel. Vielleicht sind uns die prognostizierten Wolkenformationen ja noch einmal gnädig. Und selbst wenn dann das geplante Foto vom Sonnenuntergang nichts wird, hat so ein Abend dann ja auch immer noch das Potenzial, zu einem fotografischen Erlebnis zu werden.