#Fake: RAW Pho­to Tri­en­na­le 2023

Alle zwei Jahre findet in der Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen die RAW Photo Triennale statt. Mit dem sehr geschätzten Daniel habe ich der Schau einen Besuch abgestattet.

#Fake: RAW Pho­to Tri­en­na­le 2023

Alle zwei Jahre findet in der Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen die RAW Photo Triennale statt. Mit dem sehr geschätzten Daniel habe ich der Schau einen Besuch abgestattet.

Mit­ten im Teu­fels­moor gele­gen ist das Dorf Worps­we­de vor allem für sei­ne Künst­ler­ko­lo­nie über­re­gio­nal bekannt.

Pau­la Moder­sohn-Becker, Fritz Macken­sen, Hans am Ende oder Hein­rich Voge­l­er wuss­ten das beson­de­re Licht in der Gegend bereits im aus­ge­hen­den neun­zehn­ten Jahr­hun­dert zu schät­zen und haben hier nicht nur Male­rei und Bild­haue­rei betrie­ben, son­dern der klei­nen Gemein­de mit sei­nen heu­te rund 1.000 Einwohner:innen zu einem Ruf als Hot­spot für Kunst­in­ter­es­sier­te in ganz Deutsch­land zu Popu­la­ri­tät ver­hol­fen.

Seit 2016 fin­det in dem hüb­schen Ört­chen die RAW Pho­to Tri­en­na­le statt, die natio­na­len wie inter­na­tio­na­len Fotograf:innen ein Forum und sei­nen Besucher:innen span­nen­de Ein­drü­cke in die zeit­ge­nös­si­sche Foto­gra­fie bie­tet.

Mit Dani­el, den ich über­aus schät­ze und aus mei­ner Foto­grup­pe ken­ne, hat­te ich mich bereits vor ein paar Wochen ver­ab­re­det, damit wir unse­ren unbän­di­gen Durst nach Kunst stil­len und vor allem einen schö­nen Nach­mit­tag in der Worps­we­der Kunst­hal­le könn­ten.

Am frü­hen Nach­mit­tag haben wir uns getrof­fen und uns in sei­nem Auto auf den Weg in die Künst­ler­ko­lo­nie gemacht.

Nach­dem wir uns ein wenig umge­se­hen hat­ten, war es erst ein­mal Zeit für eine Stär­kung. Zehn Minu­ten umher­lau­fen schlaucht halt. Also ab in ein Café und ein Heiß- bzw. Kalt­ge­tränk genie­ßen.

Die Foto­schau ist in die vier Kate­go­rien #Next, #Risk, #Fake und #Ego unter­teilt und befasst sich unter dem the­ma­ti­schen Über­bau “Tur­ning Point / Tur­ning World” mit den gegen­wär­ti­gen viru­len­ten Brü­chen in Poli­tik und Gesell­schaft.

Die Welt sei an einem Wen­de­punkt, Umwelt und Gesell­schaft sowie tech­no­lo­gi­sche Fort­schrit­te stell­ten das Gemein­we­sen vor nie dage­we­se­ne Her­aus­for­de­run­gen.

In der Aus­stel­lung #Fake, die Dani­el und ich uns ange­se­hen haben, ging es um Bild­wel­ten, in denen Wahr­haf­tig­keit und Fik­ti­on, Authen­ti­zi­tät und Fäl­schung nicht mehr von­ein­an­der zu tren­nen sind.

Beson­ders zuge­sagt haben mir dabei die Wer­ke der pol­ni­schen Foto­gra­fin Wer­o­ni­ka Gesi­cka und des bel­gi­schen Foto­gra­fen Max Pin­ckers.

Gesi­cka hat sich durch öffent­lich zugäng­li­che ame­ri­ka­ni­sche Bild­bi­blio­the­ken gear­bei­tet und Fotos des “Ame­ri­can Way of Life” der vier­zi­ger bis sech­zi­ger Jah­re auf teils humo­ris­ti­sche, teil ver­stö­ren­de Wei­se ver­frem­det.

Pin­ckers ist wäh­rend des letz­ten Wahl­kamp­fes mit Schauspieler:innen durch die USA gezo­gen und hat Bil­der insze­niert, die von erschüt­tern­der Inten­si­tät, aber eben nicht authen­tisch sind. Das lin­ke der bei­den Fotos über die­sem Absatz (oder das obe­re, wenn du die Sei­te auf dem Smart­phone ansiehst) insi­nu­iert einen Abschied.

Im Geis­te der Poli­tik Donald Trumps ent­stand bei mir schnell die Ver­mu­tung, es kön­ne sich um die Sze­ne einer bevor­ste­hen­den Abschie­bung aus dem “land of the free” hal­ten. Tat­säch­lich aber umar­men sich da zwei Schauspieler:innen.

Ich bin übri­gens der Mei­nung, dem Foto in einer Zeit­schrift, oder einer ande­ren Aus­stel­lung schon ein­mal begeg­net zu sein.

Durch­aus hilf­reich war, dass einer der Kura­to­ren der Tri­en­na­le, Wolf­gang Zuborn, durch die Aus­stel­lung geführt und die Foto­gra­fien künst­le­risch wie tech­nisch ein­ge­ord­net hat.

Dudes in Den­ker­po­se. Dani­el (rechts) und ich halt.

Zuborn ist Inha­ber der Köl­ner Gale­rie Licht­blick und lehrt Foto­gra­fie unter ande­rem in Ber­lin, Bre­men und Flo­renz.

Am meis­ten fas­zi­niert hat mich aber das Publi­kum. Prä­do­mi­nant alt und weiß, bil­dungs­bür­ger­lich und von so unglaub­lich dün­kel­haf­ter Selbst­re­fe­renz, dass Lori­ot einen gan­zen Spiel­film aus den all den klei­nen Momen­ten, die sich dort erge­ben haben, hät­te dre­hen kön­nen.

Da war die­se Frau, die vol­ler Mit­tei­lungs­be­dürf­nis erklär­te, dass sie nun zwei eher abs­trak­te Fotos inter­pre­tiert habe, als sei Inter­pre­ta­ti­on ein defi­ni­ti­ver und abschlie­ßen­der Pro­zess.

Da war der alte wei­ße Mann, der nicht zur Füh­rung gehör­te und sich in lächer­li­cher Wei­se echauf­fier­te, dass in der Aus­stel­lung gespro­chen wird — obwohl das Set­ting klar erkenn­bar war. Eine Per­son steht vor einer Grup­pe und doziert — what the fuck hät­te das sonst sein sol­len? Ein Kaf­fee­kranz mit Mono­log?

Da ich ein klei­nes Kon­sum­op­fer bin, muss­ten wir nach dem Besuch der Aus­stel­lung natür­lich noch im Muse­ums­shop vor­bei­schau­en und ich habe mir direkt ein klei­nes Büch­lein gekauft. “Das per­fek­te Foto” von Paul Lowe heißt es und wenn mei­ne Foto­gra­fien in der nächs­ten Zeit nicht zumin­dest annä­hernd per­fekt sind, habe ich es ent­we­der nicht gele­sen, nicht ver­stan­den — oder der Titel war gelo­gen.

Die freund­li­che Mit­ar­bei­te­rin im Shop wies uns dann hoch auf eine Frei­licht­aus­stel­lung über “Milieu­bil­der aus Nord­deutsch­land” hin, die wir kos­ten­los besu­chen könn­ten und die nur weni­ge Geh­mi­nu­ten auf einer Frei­flä­che in einem klei­nen Wäld­chen zu sehen sei.

Da wir zwar etwas Essen gehen woll­ten, aber noch aus­rei­chend Zeit hat­ten, haben wir uns die Aus­stel­lung eben­falls ange­se­hen.

Zum Abschluss des Tages sind Dani­el und ich dann noch in einen nahe­ge­le­ge­nen Gast­hof gefah­ren, um den Abend bei einem net­ten Abend aus­klin­gen zu las­sen. Die Spe­zia­li­tät dort ist das Essen vom hei­ßen Stein, bei dem ver­schie­de­ne Sor­ten Fleisch ser­viert wer­den, die dann selbst gebra­ten wer­den kön­nen. Und, nun gut, soll­ten.

Zudem konn­te Dani­el sowohl im Rah­men der Aus­stel­lung, als auch beim Restau­rant­be­such zwei her­vor­ra­gen­de Por­traits für sein unglaub­lich sehens­wer­tes Insta­gram-Pro­jekt >bremen.faces erstel­len. Dafür spricht er ihm unbe­kann­te, aber inter­es­san­te Men­schen an, denen er im öffent­li­chen Raum begeg­net und fragt, ob er ein Por­trait von Ihnen erstel­len dür­fe. Dabei sind schon jetzt so tol­le Foto­gra­fien ent­stan­den, dass du der Sei­te unbe­dingt mal einen Besuch abstat­ten und natür­lich gleich ein Abo und “gefällt mir” ver­ge­ben könn­test.

Am Ende des Tages steht das Fazit, dass es unbe­strit­ten ein rie­si­ges Glück ist, dass sich eine solch inter­es­san­te und rele­van­te Foto­schau vor den Toren Bre­mens eta­bliert hat. Bei der Füh­rung waren auch Besucher:innen aus Ham­burg und Wup­per­tal anwe­send, was zeigt, wel­che Strahl­kraft das rela­tiv jun­ge Foto­fes­ti­val bereits jetzt hat — und so freue ich mich wahn­sin­nig auf die nächs­te Auf­la­ge der Raw Pho­to Tri­en­na­le, die dann 2025 statt­fin­den dürf­te.