Samstag.
Von Mandy, Shirley Temple, Weimar und Erfurt
Nach einem »aufregenden Freitag trafen wir uns am Samstagmorgen im Frühstücksraum des Hotels, wo wir uns an einem üppigen Büffet labten und noch einmal die Tagesplanung besprachen.
Von der Idee, noch nach Erfurt zu fahren waren wir gar nicht mehr so überzeugt und änderten unseren Plan kurzfristig erneut. Wir würden nunmehr am Sonntagmorgen nach Erfurt fahren, am Samstag gemütlich Weimar erkunden und vielleicht am Abend noch einen kleinen Portraitshoot in der Hotellobby unternehmen.
Dort stand nämlich ein riesiger roter Sessel, der fast einem Thron glich. Zudem hatten wir mit Chanti das tollste Model der Welt bei uns und so entstand die Idee, dass wir sie in eleganter Abendgarderobe in ebendiesem Sessel fotografieren könnten.
Unseren Ausflug in die Weimarer Innenstadt könnten wir nutzen, um ein paar Accessoires für Chanti zu kaufen. Also vor allem eine Abendgarderobe, denn ein Kleid hatte sie nicht dabei. Wozu auch?
Also sind wir nach dem Frühstück wieder in die Weimarer Innenstadt gefahren, hatten riesiges Glück mit dem Wetter und haben uns ein wenig umgesehen.
Unsere Route begann eher am Rande des Stadtkerns, in einer Mischung aus Wohn- und Geschäftsvierte. In einem Anflug von frühkindlicher Nostalgie entdeckte Chanti einen Kaugummiautomaten, in den man ein einen Euro werfen und dafür eine tolle Überraschung bekommen könnte, was sie dann auch direkt in die Tat umsetzte.
Ich hatte in jungen Jahren mal einen Geschäftsführer, der mir in einem Gespräch über die damals gerade aufkommenden Ein-Euro-Shops erklärte, dass man für einen Euro schlicht nichts vernünftiges bekäme. Ich war damals schon anderer Meinung und Chanti sollte mir in dieser Hinsicht eine sehr späte Genugtuung geben.
Die Freude über den Inhalt der Automatenüberraschung war nämlich groß und so konnte sie munter auf einem Papierding, das bestimmt einen Namen hat, der mir zu diesem Zeitpunkt aber partout nicht einfallen möchte, tröten.
Manchmal sind es eben die kleinen Dinge, die für die großen Glücksmomente sorgen können.
Da wir nun Zeit hatten und der Plan, am Abend einen Fotoshoot zu veranstalten, feststand, gab es plötzlich allerhand zu erledigen.
Wir wollten die erwähnte schicke Abendgarderobe besorgen und Chanti hatte den Wunsch, sich bei einem Friseur Locken machen zu lassen, damit Haare und Outfit zusammenpassen würden.
Nun gibt es in der Weimarer Innenstadt sehr viele Friseure, von denen auf einem Samstagvormittag aber keiner geöffnet zu haben schien. Wir sind in der Folge zwar begleitet von Apples Karten-App, aber doch etwas ziellos durch die Innenstadt gelaufen.
Persönlich mag ich zielloses-durch-fremde-Städte laufen dabei sehr. Der Blick öffnet sich dabei nämlich für die kleinen Dinge, die auf dem Weg liegen. Seien es kleine Gassen, ungewöhnliche Boutiquen abseits der Haupteinkaufsstraße oder wunderschönen Kirchen, denen jedenfalls ich in meiner Heimatstadt eigentlich nie einen Besuch abstatte.
Die Herderkirche haben wir uns dann tatsächlich auch angesehen, jedenfalls glaube ich, dass es die Herderkirche war und einen kurzen Moment der Stille für uns genießen können.
Eines der touristischen Highlights Weimars ist die zweifelsohne das Goethe-und-Schiller-Denkmal auf dem städtischen Theaterplatz direkt gegenüber dem Haus der Weimarer Republik, womit auch schon die nächste bedeutungsvolle Wegmarke dieser Stadt erwähnt ist. Dass hier auch die größte Bauhaus-Sammlung der Welt präsentiert wird, erwähne ich auch nur am Rande.
Auf Schiller und Goethe sind wir auf unserem Bummel durch die Stadt dann tatsächlich gestoßen und haben das Abbild der beiden natürlich abgelichtet.
Die beiden Literaten haben eine zeitlang in Weimar gelebt und standen dabei im fachlichen und freundschaftlichen Austausch. Ein Besuch in Weimar ohne Ablichtung des Motivs ist undenkbar.
Möglicherweise war ich aber bereits ein wenig im Portrait-Modus, denn ich habe tatsächlich kein einziges Foto gemacht, auf dem die beiden im Fokus wären. Zum Glück hat Chanti die beiden abgelichtet und war so freundlich, mir das Foto zur Verfügung zu stellen.
Nach unserer Stippvisite bei den gebronzten Literaten hat es uns dann wieder in jenes Einkaufszentrum verschlagen, in dem wir bereits am Vorabend gegessen hatten und haben dort nach einem Friseur gesucht. Da es in Einkaufszentren vorgegebene Öffnungszeiten gibt, konnten wir davon ausgehen, dass die Friseure dort geöffnet haben würden.
Im ersten Friseursalon, in dem wir fragten, ob sie Chanti die Haare locken würden, wurden wir abgewiesen. Anscheinend hatten die dort nicht so wahnsinnig große Lust darauf. Der zweite Salon war für unser Vorhaben aber deutlich offener.
Und so konnte dann das Drama mit den Locken seinen Lauf nehmen.
Von Mandy und Shirley Temple
Wir wurden zunächst freundlich in Empfang genommen und ich habe die Friseurin gefragt, ob es für sie in Ordnung sei, wenn ich ein paar Fotos mache, während sie Chanti die gewünschten Locken auf den Kopf zwirbelt.
Das fand sie zunächst schrecklich aufregend und vermutete eine riesige Produktion, was ich aber direkt relativiert habe.
Während ich ihr erklärte, dass wir eigentlich gar nichts besonderes vorhaben, nur eben ein paar Portraitfotos machen wollten, machte sie sich an die Arbeit.
Bei Locken hatten Caro, Chanti und ich die gleiche Vorstellung: eben leicht gewelltes Haar, das ein wenig glamourös aussieht. Und da ich in der glücklichen Position war, das ganze Spektakel aus der Außenperspektive beobachten zu können, ahnte ich relativ zügig, dass es, was die Locken angeht, anscheinend unterschiedliche Vorstellungen zwischen der Vision der Friseurin und unserer Vorstellung zu geben schien.
In jedem Fall war es brüllend komisch zu beobachten, wie sich Chantis Miene im Laufe der Frisurgestaltung von einem fröhlichen “ich habe bald hübsche Locken und wir machen einen Fotoshoot” zu einem “was zur Hölle passiert hier und so bekommt ihr mich garantiert nicht vor die Kamera” verzog.
Und so leid es mir tut, was da in einem Friseursalon in Weimar, ja sogar mit besten Absichten, mit ihren Haaren veranstaltet wurde, so sehr muss ich beim Betrachten der Fotos noch immer herzhaft lachen.
Mit ein wenig großstädtisch-westdeutscher Arroganz, aber auch aus einer gewissen Verzweiflung heraus haben wir die unbekannte Friseurin Mandy getauft. Caro verglich die Lockenpracht direkt mit Shirley Temple, was ich sehr passend und durchaus lustig fand. Chanti vermochte das dagegen aber nur bedingt aufzuheitern.
Nachdem wir also sechzig Euro für eine Frisur bezahlt hatten, die selbst Pennywise, den Clown aus “Es”, das Fürchten gelehrt hätte, sind wir direkt in einen naheliegenden Drogeriemarkt gegangen.
Wir haben diverse Haarpflegeprodukte gekauft und Caro hat das Drama auf Chantis Kopf wieder beseitigt. Dabei mussten wir natürlich darauf achten, dass weder Mandy noch eine ihrer Kolleginnen vorbeikommen würden, denn das wäre uns dann auch ein wenig unangenehm gewesen, zumal die Friseurin durchaus stolz auf das Ergebnis ihrer Arbeit gewesen schien.
Nach dem Abenteuer mit den Haaren brauchten wir dann erst einmal eine Pause und haben es uns mit einem Getränk auf einem Platz vor dem Einkaufszentrum gemütlich gemacht.
Formel 1‑Chanti & ein erster Fotoshoot
Da wir uns ja nun ohnehin in einem Einkaufszentrum befanden, konnten wir auch direkt ein paar Klamotten für den Shoot kaufen. Im Grunde haben wir das Einkaufszentrum an diesem Tag auch gar nicht mehr verlassen.
Bevor es aber an das Shoppen ging, entdeckte Chanti ein Rennauto, in dem man einen Formel 1‑Simulator spielen konnte und da Chanti nun einmal ein großes Faible für Autos hat, saß sie auch schneller als wir gucken konnten in dem Boliden und steuerte mit großem Elan ihr Auto über den digitalen Asphalt.
Nachdem Chanti zwar nicht neue Streckenrekorde aufgestellt, dafür aber einem Kind, das durchaus bestimmend sagte, dass es als aber auch als nächstes dran sei, einen durchaus noch bestimmenderen Blick zuwarf, haben wir dann angefangen zu shoppen.
Richtigerweise haben vor allem Caro und Chanti geshoppt. Ich habe mein naturgegebenes Talent, mit jedem Vorschlag zu Kleidern, Oberteilen oder Hosen daneben zu liegen unter Beweis gestellt und dann irgendwann leicht resigniert aufgegeben.
Immerhin konnte ich ein paar plüschige Einhornpuschen kaufen, von denen ich sicher war, dass sie für unseren am Abend geplanten Shoot einen schönen Kontrast zur festlichen Abendgarderobe bilden könnten. Solltest du übrigens nicht aus Norddeutschland kommen: Puschen sind Hausschuhe.
Ich mag es, wenn meine Fotos nicht völlig ernst sind und gestalte sie gerne mit einem gewissen Augenzwinkern, oder einer humoristischen Auflockerung.
Bevor es aber in das Hotel zurückging, haben wir relativ spontan einen kleinen Fotoshoot in der Weimarer Innenstadt umgesetzt.
Ich hatte kurz vor der Reise zwei kleine LED-Leuchten bestellt, von deren Helligkeit ich durchaus überrascht war und die wir einfach mal ausprobieren wollten.
Und so begannen wir, an einem sonderbaren Gebilde am Rande der Innenstadt, in unmittelbarer Nähe zum Thüringer Landesverwaltungsamt für irgendetwas mit Umwelt, zu fotografieren.
Wir fanden uns also auf dem Vorplatz des Bauhaus-Museums in einer Installation, von der ich mir nicht sicher bin, ob sie gerade auf- oder abgebaut wurde, oder tatsächlich so aussehen sollte.
In jedem Fall konnte man darin herrlich fotografieren und so sind die ersten gezielten Portraits des Tages entstanden.
Ich hatte lediglich einen einfachen Aufsteckblitz dabei, aber die kleinen Dinger haben eine mich immer wieder überraschende Lichtleistung und so war die einsetzende Dämmerung kein Problem für unsere fotografischen Ambitionen.
Unsere eigentliche Foto-Location sollte jedoch das besagte Landesverwaltungsamt für irgendetwas mit Umwelt sein, dort gibt es nämlich sehr schöne Arkaden.
Arkaden haben den Charme, dass sie eine Räumlichkeit schaffen. Zudem können sie einen sogenannten natürlichem Rahmen bilden. Dadurch kann das gewünschte Motiv unter Einbindung der Umgebung wortwörtlich eingerahmt werden und so eine stimmige Bildkomposition geschaffen werden.
Wir haben etwas über eine Stunde an den Arkaden Verbacht und sehr zu meiner Freude hat sich Chanti kurzfristig meine Kamera geschnappt und selbst begonnen, zu fotografieren.
Zwar stehe ich selbst nicht gerne vor der Kamera, aber im Rahmen der kleinen Session sind auch mal zwei meiner liebsten Fotos von mir entstanden. Vielen Dank dafür!
Nachdem wir fotografiert haben, sind wir zunächst in das Hotel zurückgekehrt und wollten noch eine Kleinigkeit essen. Der kleinste gemeinsame und kurzfristig erreichbare Nenner war dabei die Filiale eines amerikanischen Burgerbräters.
Wir hatten ja schon im Rahmen unserer ungeplanten Pause auf der Hinfahrt bei einem Burgerbräter gefrühstückt und weil abwechslungsreiche Ernährung wichtig ist, sind wir in diesem Fall zu einem Wettbewerber gefahren.
Frisch gestärkt und leicht übersättigt ging es dann wieder zurück ins Hotel. Chanti wollte sich noch ein wenig für den geplanten Shoot vorbereiten. Inzwischen war es recht spät und im nächsten Beitrag berichte ich dir von dem Shoot und wie wir fast aus der Hotellobby geworden wurden.